Mobbing am Arbeitsplatz erkennen und vermeiden – Ursachen, Folgen und 6 Ansätze für ein faires Miteinander

by Sarah Kotysch

In Deutschland wurde fast jeder dritte Erwachsene schon einmal auf der Arbeit gemobbt. Für Opfer sind die Folgen gravierend. Und auch für Unternehmen. Denn die Schäden durch Mobbing kosten sie Milliarden – jedes Jahr. In diesem Beitrag erfährst du, wie du Mobbing frühzeitig erkennst und mit welchem Maßnahmen Arbeitgeber dagegen wirken können – um produktiv zu bleiben und ein faires Miteinander zu fördern.

Was ist Mobbing am Arbeitsplatz?

Infobox: Definition Mobbing am Arbeitsplatz

Mobbing hat System, wiederholt sich und läuft über einen längeren Zeitraum. Die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden am Arbeitsplatz gedemütigt und schikaniert – bis sie letztendlich die Abteilung verlassen. Oder ihre Kündigung beim Arbeitgeber einreichen.

Lange hielt sich der Ansatz des Forschers Heinz Leymann: Er sprach von Mobbing, wenn die Schikanen mindestens einmal pro Woche über sechs Monate andauern. 

Eine Definition, die zwar noch im Umlauf, aber umstritten ist. Im Mobbing-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zum Beispiel gaben die meisten Befragten (35,5 %) an, weniger als sechs Monate gemobbt worden zu sein.

Trotzdem: Die Zeitspanne zählt. Ein böser Blick oder eine kurze, heftige Diskussion unter Kolleg:innen im Büro sind kein Mobbing – könnten aber der Anfang sein.

Die 4 Phasen des Mobbings

Mobbing verläuft zwar nicht überall gleich, aber über die Jahre hat sich folgendes Muster gezeigt:

  • Phase 1: Es gibt einzelne, ungelöste Konflikte am Arbeitsplatz. Die Beteiligten fühlen sich nicht verstanden, nicht gesehen, suchen die Schuld bei anderen, greifen persönlich an.
  • Phase 2: Die Gräben werden tiefer, die ursprünglichen Differenzen unwichtiger. Stattdessen werden betroffene Kollegen und Kolleginnen häufiger und gezielt schikaniert, ignoriert und ausgegrenzt. 
  • Phase 3: Die Lage eskaliert. Die gemobbte Person ist verunsichert, macht Fehler und wird vom Arbeitgeber mit Abmahnungen, Verletzungen und angedrohter Kündigung noch mehr belastet.
  • Phase 4: Oft endet Mobbing erst durch lange Krankschreibungen oder Kündigung – von der betroffenen Person selbst oder seitens des Arbeitgebers.

Beispiele für Mobbing am Arbeitsplatz

Infobox: Beispiele für Mobbing am Arbeitsplatz

Täter und Täterinnen werden sehr kreativ, wenn sie ein Opfer gefunden haben. Das Mobbing läuft verbal und sozial, physisch und psychisch, persönlich und digital. 2018 hat das Bündnis gegen Cybermobbing eine spannende Studie dazu herausgegeben. 

2.000 Menschen in Deutschland wurden unter anderem gefragt, in welcher Formen sie schon Opfer von Mobbing waren:

  • Sticheleien (74 %)
  • Ausgrenzung (72 %)
  • Massive, ungerechte Kritik (69 %)
  • Darstellung als unfähig (65 %)
  • Verbreitung von Gerüchten (64 %)
  • Verbale Aggressionen (59 %)
  • Falsche Bewertung der Arbeitsleistung (53 %)
  • Vorenthalten wichtiger Informationen (51 %)
  • Behinderung der Arbeit (42 %)
  • Androhung körperlicher Gewalt (24 %)

Weitere Beispiele? Arbeitnehmer und -innen bekommen gar keine oder nur noch sinnlose Aufgaben. Oder Aufgaben, die weit unter oder über ihren Qualifikationen liegen. In ihren E-Mail-Postfächern landen häufiger verletzende Nachrichten – auch außerhalb der Arbeitszeit. Das alles ist Mobbing.

Warum wird gemobbt?

Auch darüber gibt die Studie des Bündnis gegen Cybermobbing Aufschluss: Von Mobbing betroffene Personen sehen die Ursachen unter anderem in Neid (51 %), ihrem auffälligen Auftreten (38 %), unerwünschter Kritik (38 %), Konkurrenzdenken und Betriebsklima (37 %), starren Hierarchien und in ihrer Persönlichkeit (35 %).

Täter:innen führen andere Gründe auf – und die sind teilweise erschreckend: 35 % mobben, weil sie Ärger mit der betreffenden Person haben. Ein Drittel macht einfach mit, weil andere das auch machen. Ein Viertel der Täter:innen mobbt aus Langeweile oder nur zum Spaß. 

Eine weitere interessante Zahl: Vier von fünf Täter:innen waren früher selbst Mobbingopfer.

Was begünstigt Mobbing am Arbeitsplatz? 

Stress und Termindruck, unklare Absprachen und Organisation, fehlende Transparenz bei wichtigen Entscheidungen, starre Hierarchien oder konfliktscheue Vorgesetzte begünstigen häufig das Mobbing.

Der Mobbing-Report zählt eine ganze Reihe von Faktoren auf. Oft hapert es an einer klaren und offenen Kommunikation, auch mit den Vorgesetzten: ein fruchtbarer Nährboden für ein toxisches Arbeitsumfeld und schlechtes Betriebsklima

Gemobbte Mitarbeitende reden zuerst mit ihrem privaten Umfeld

Vorgesetzte und Personalverantwortliche erfahren meistens erst spät, dass ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen schikaniert werden. Weil Mobbingopfer zuerst mit anderen darüber sprechen: Partner:innen und Familie, Freund:innen und vertraute Kolleg:innen.

Warum? Weil Betroffene Angst um ihren Job haben, weil sie keine Chance auf Veränderung sehen, weil das Vertrauen fehlt oder weil es keine als kompetent angesehenen Ansprechpartner:innen im Unternehmen gibt.

Alle Vorgesetzten sollten aufmerksam sein, um die Anzeichen früh zu erkennen – wenn sie nicht selbst beteiligt sind. Das trifft immerhin auf jede zweite Führungskraft zu, zeigt diese Befragung des Bündnis gegen Cybermobbing von 2021. Am häufigsten mobben aber Kollegen und Kolleginnen.

Anzeichen und Folgen von Mobbing am Arbeitsplatz

Infobox: Anzeichen & Folgen für Mobbing am Arbeitsplatz

Spätestens, wenn die ersten Folgen von Mobbing am Arbeitsplatz sichtbar werden, sollten Arbeitgeber und die Vorgesetzten schnell reagieren. Offensichtliche Anzeichen dafür sind, dass gemobbte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mehr und mehr …

  • demotiviert und misstrauisch sind,
  • nervös und verunsichert wirken,
  • sich zurückziehen und an sich zweifeln,
  • unkonzentriert sind und Fehler machen,
  • Leistungs- und Denkblockaden haben.

Was folgen kann, sind Depressionen, vermehrte Krankschreibungen und letztendlich die Kündigung der Betroffenen. Auch hier zeigt die Studie des Bündnis gegen Cybermobbing: Mobbingopfer fehlen durchschnittlich fast doppelt so viele Tage am Arbeitsplatz (10,4 Tage pro Jahr) wie nicht Betroffene (6,6 Tage pro Jahr). 

Das sind zusätzliche Krankheitstage, die die deutsche Wirtschaft jährlich fast 5 Milliarden Euro kosten. Die Gewerkschaft ver.di geht sogar davon aus, dass ein jährlicher Schaden von 15 bis 25 Milliarden Euro durch Mobbing entsteht. 

Ganz zu schweigen von den negativen Auswirkungen auf das Betriebsklima, die Mitarbeiterbindung der verbleibenden Kollegen und Kolleginnen und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. 

Denn gemobbte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen reagieren häufig mit innerer Kündigung, sind weniger motiviert und weniger produktiv am Arbeitsplatz. Und wenn sie wirklich die Kündigung einreichen, verlieren Arbeitgeber in der Regel auch Erfahrung und Know-how. Obendrauf kommen zusätzliche Kosten im Recruiting, weil die Stelle neu besetzt werden muss. 

Außerdem droht immenser Image-Schaden, sollte der Mobbing-Fall bekannt werden. Ein Schaden, den sich beim aktuellen Fachkräftemangel kaum ein Arbeitgeber leisten kann.

Was können Unternehmen gegen Mobbing am Arbeitsplatz tun

Am wichtigsten: Das Thema ernst nehmen. In der Mobbing-Studie von YouGov und Statista sagten 34 % der Befragten, dass es bei ihrem Arbeitgeber keine Hilfsangebote bei Mobbing gibt. Und eine Mobbing-Studie des Büroaustatters Viking ergab: 50 % der Befragten glauben, „… dass Mitarbeitende in ihrem Unternehmen potenziell mit Mobbing durchkommen könnten“. 

In derselben Studie zeigte sich zudem, dass nur jede dritte Führungsperson speziell zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz geschult ist. Und nur eine:r von sechs Manager:innen sich zutraut, Anzeichen von Mobbing zu erkennen. 

Was also tun? Hier sind fünf Maßnahmen, basierend auf Forderungen gemobbter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen:

  • Spezielle Anti-Mobbing-Schulungen für Vorgesetzte und Belegschaft
  • Eine klare Anlaufstelle für Mobbingopfer einrichten
  • Klare Richtlinien und Vereinbaren im Umgang mit Mobbing festlegen
  • Eine Mobbingbeauftragte oder einen Mobbingbeauftragten benennen
  • Supervision und Mediation in Konfliktfällen

Im besten Fall kommt es gar nicht erst zu Mobbing. Auch dafür können Arbeitgeber etwas tun.

6 effektive Ansätze für ein faires Miteinander und mehr Mitarbeiterzufriedenheit

Infobox: 6 Ansätze für ein faires Miteinander

1. Interne Kommunikation fördern

Durch interne Netzwerke und regelmäßige Meetings mit dem gesamten Unternehmen oder Team sind alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf demselben Informationsstand. Außerdem fördern sie den offenen Austausch unter Kollegen und Kolleginnen und mit den Vorgesetzten.

2. Feedback-Kultur etablieren

Feste Feedback-Runden schaffen einen sicheren Rahmen, um sich unter Kolleg:innen auszutauschen, Probleme auf den Tisch zu bringen und sich ehrlich und vernünftig die Meinung zu sagen. Diese Feedback-Runden können auch mit Vorgesetzten stattfinden.

3. Maßnahmen zum Teambuilding durchführen

Gemeinsame Aktivitäten fördern ein gutes Betriebsklima und stärken den Zusammenhalt und das Vertrauen im Team. Gerade außerhalb des Büros und der Arbeit lernt man Kolleg:innen häufig von einer anderen Seite kennen – losgelöst von den Rollen, die sie auf der Arbeit einnehmen. Falls Ideen fehlen, hier sind über 20 Anregungen für sportliche und spielerische Teambuilding-Maßnahmen. Auch eine Firmenfitness-Mitgliedschaft kann ein guter Anreiz sein, zusammen als Team sportlich aktiv zu sein.

4. Angebote zum Stressmanagement einführen

Stress führt oft zu Druck. Und Druck führt zu unüberlegten Handlungen – auch zu Mobbing. Psychologische Beratungen, Workshops zur Stressbewältigung oder auch Yoga am Arbeitsplatz bringen Ruhe in die Mitarbeitenden und ins Team.

5. Karrierechancen transparent aufzeigen und fördern

Mitarbeitenden wollen sich in der Regel weiterentwickeln. Stagniert die Entwicklung, kann Neid aufkommen. Regelmäßige Entwicklungsgespräche können helfen, dass sich alle Mitarbeitenden wertgeschätzt fühlen und wissen, wohin sie sich entwickeln können. Motivierende Aussichten also. 

6. Mitarbeitergesundheit fördern

Gesunde Arbeitnehmer:innen sind zufriedene Arbeitnehmer:innen. Und hier können Arbeitgeber einiges am Arbeitsplatz bewegen: vom Korb mit frischem Obst, über regelmäßige gesundheitliche Check-ups bis hin zu Angeboten für Firmenfitness (Hier erfährst du, wie wir deine Belegschaft und dich sportlich unterstützen können.)

Arbeitgeber müssen sich ernsthaft mit Mobbing auseinandersetzen, wenn sie produktiv bleiben wollen – und attraktiv für ihre Belegschaft und neue Talente. Denn Mobbing trifft nicht nur die Opfer hart, sondern schlägt sich auch auf das Betriebsklima und durch hohe zusätzliche Krankheitskosten auf die Kasse nieder. Zum Glück können gerade Vorgesetzte und Personalverantwortliche durch vorbeugende Maßnahmen, klare Kommunikation und achtsames Auftreten die Zufriedenheit der Mitarbeitenden erhöhen und das Risiko für Mobbing und dadurch verursachte Kündigungen senken.

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