Der aktuelle Lockdown in Deutschland dauert bis zum 18. April an. Eine erneute Verlängerung ist nicht ausgeschlossen. Und das bedeutet für viele Arbeitnehmer*innen weiterhin Homeoffice, weniger soziale Kontakte, Kurzarbeit und den Spagat zwischen Familie und Job schaffen. COVID-19 hat das bisherige Berufs- und Alltagsleben nachhaltig verändert.
Daher haben wir mit der Corporate Health Plattform DearEmployee über die Bedeutung von mentaler Gesundheit am Arbeitsplatz gesprochen.
Frau Wiedemann, was steckt hinter DearEmployee und welches Ziel verfolgt Ihr Startup?
Das Gründen von DearEmployee war inhaltlich motiviert: In unseren Forschungsprojekten zu Stress am Arbeitsplatz an der Charité-Universitätsmedizin Berlin haben wir festgestellt, dass es für Unternehmen oft schwer ist, nach der Durchführung einer sogenannten psychischen Gefährdungsbeurteilung ‘von den Daten zu den Taten’ zu kommen. Damit ist gemeint, dass Unternehmen oftmals lange brauchen, um die passenden Maßnahmen zu finden und zu implementieren, die psychisch stark beanspruchten Beschäftigten helfen.
Warum ist das so?
Nach der Gefährdungsbeurteilung von psychischer Belastung bleiben oft noch viele Fragen offen: Wo kann die Personalleitung nach einem geeigneten Coach suchen? Wo finden man geeignete Anbieter*innen für Führungskräfteschulungen? Viele HR-Verantwortliche greifen auf das HR-Instrument ‘Google’ zurück. Das jedoch folgt keinen Qualitätsrichtlinien und ist deshalb bei der Suche kein geeigneter Ratgeber. Es kostet die Personalabteilung deshalb schlicht zu viel Zeit, um geeignete Maßnahmen zu finden, die Qualität zu überprüfen, sie schließlich umzusetzen und die Wirksamkeit zu tracken. Außerdem ist der Markt für Gesundheitsmaßnahmen stark fragmentiert. Die Suche ist deshalb bereits oftmals der Anfang vom Ende bei der Wahl einer Gesundheitsmaßnahme.
Wo setzt DearEmployee bei diesem Problem an?
Mit DearEmployee wollten wir von Beginn an mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Herausgekommen ist: Eine Corporate Health-Plattform für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz, über die Unternehmen mit einer von uns entwickelten psychischen Gefährdungsbeurteilung einfach und digital negative Arbeitsbedingungen erkennen und verringern können.
Unternehmen profitieren dabei von einer gesteigerten Produktivität ihrer Beschäftigten. Insbesondere hoffen wir, dass wir mit DearEmployee für viele Beschäftigte die Arbeit zu einem besseren Platz machen können: dass alle Menschen glücklich in ihrem Job sind und unter gesunden Arbeitsbedingungen ihrer Tätigkeit nachgehen können.
Sie haben Anfang diesen Jahres eine Analyse über die mentale Mehrbelastung von 22.000 Beschäftigten während der ersten beiden Corona-Wellen durchgeführt. Was haben Sie herausgefunden?
Dass, trotz kurzfristig veränderter Arbeitsumstände, die Mehrheit der befragten Beschäftigten ihre psychische Gesundheit als gut bewertet. Dieses Ergebnis ist auf den ersten Blick überraschend, jedoch muss man bedenken, dass an der Umfrage insbesondere Beschäftigte unserer Kunden teilnahmen. Diese Unternehmen sorgen sich schon seit Jahren um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen. Von daher kann man schlussfolgern, dass Mitarbeiter*innen in Unternehmen, die viel in die Gesundheit ihrer Beschäftigten investieren, belastbarer scheinen.
Das hört sich eigentlich gut an.
Allerdings ist der Anteil der Beschäftigten, die ihre psychische Gesundheit als sehr schlecht eingestuft haben, seit 2019 um 5-7 Prozent gestiegen. Die stärksten Veränderungen in der Art, wie wir aktuell arbeiten, sehen wir in der gesunkenen Mobilität. Das ist nicht überraschend, weil die politischen Maßnahmen ja auch darauf abzielten.
Ein weiterer Trend geht zur Entgrenzung von Privat- und Arbeitsleben: Beschäftigte geben aktuell viel häufiger an, dass sie das Gefühl haben, ständig erreichbar sein zu müssen, und dass ihre Work-Life-Balance darunter sehr leidet. Außerdem berichten viele, dass ihnen der informelle Austausch im Team fehlt – der für viele ein wichtiger Puffer gegen Stress ist.
Ein weiterer Trend geht zur Entgrenzung von Privat- und Arbeitsleben: Beschäftigte geben aktuell viel häufiger an, dass sie das Gefühl haben, ständig erreichbar sein zu müssen, und dass ihre Work-Life-Balance darunter sehr leidet. Außerdem berichten viele, dass ihnen der informelle Austausch im Team fehlt – der für viele ein wichtiger Puffer gegen Stress ist.
Dr. Amelie Wiedemann, Co-Founder DearEmployee
Wie können Unternehmen mit diesen Veränderungen umgehen?
Für die eben genannten Herausforderungen haben sich als sinnvoll erwiesen:
- ein Angebot für eine gesunde Unternehmenskultur mit HR und der Geschäftsführung, um die Erreichbarkeit zu reduzieren
- ein Workshop zum Digital Leadership für die Führungskräfte und Teambuildingmaßnahmen für die Beschäftigten, um einen intensiven Austausch im Team anzuregen
- begleitend ist ein niedrigschwelliges Angebot zur psychologischen Soforthilfe für alle, denen es nicht gut geht, sehr hilfreich
Aber jedes Unternehmen hat unterschiedliche Bedürfnisse.
Deshalb ist das wichtigste, nicht überstürzt irgendetwas anbieten, sondern die Angebote für die Beschäftigten an den wirklichen Bedarf anzupassen. Was bringt dem Team ein Lunchpaket fürs Home Office, wenn alle darunter leiden, dass sie zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar sein müssen? Die besten Maßnahmen sind die, die die wirklichen Probleme lösen. Also beispielsweise Supervision für Kassierer*innen, die von Kund*innen unfreundlich behandelt werden und ein intensives Remote Workout, für die, die gerade zu viel sitzen.
Welche langfristigen Vorteile hat das Unternehmen durch solche Maßnahmen?
Dadurch, dass unsere Kund*innen die Wirksamkeit der gebuchten Gesundheitsmaßnahmen selbstständig und in regelmäßigen Intervallen über die DearEmployee Plattform tracken, können sie den betroffenen Mitarbeiter*innen viel effizienter helfen, weil das Maßnahmen-Portfolio jederzeit am Bedarf angepasst werden kann. Erwiesenermaßen steigt die Produktivität der Beschäftigten, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen. Die Arbeitgeberattraktivität nimmt zu und die Kosten im betrieblichen Gesundheitsmanagement sinken. Die Mitarbeiterfluktuation lässt dadurch spürbar nach. Das spüren die Unternehmen dann auch an einem deutlichen ROI ihrer Gesundheitsmaßnahmen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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